KLASSE GRCIC
KLASSE GRCIC
In Manyfold Jest wird die Beziehung von Menschen zu ihren eigenen Wohnungen im Verlauf der Corona-Krise thematisiert. Dabei steht vor allem die Art und Weise im Vordergrund, wie man sich an den Raum, den man über mehrere Monate so ‚intensiv‘ bewohnt hat, erinnert und welche Aspekte der eigenen Erinnerung man bei einer Beschreibung jeweils in den Vordergrund oder den Hintergrund rückt.
Als Grundlage für das Projekt dienen die Beschreibungen vier interviewter Personen. Die Befragten erhielten in Form eines relativ knapp und offen gehaltenen Fragekatalogs die Möglichkeit, ihren eigenen Wohnraum während der Corona-Krise in einer Sprachaufnahme oder einem Text zu beschreiben. Dabei wurde ein besonderer Schwerpunkt darauf gelegt, wie Merkmale der Wohnungen oder darin befindliche Objekte subjektiv wahrgenommen werden und auf dieser Grundlage als relevant oder erinnerungsträchtig empfunden werden. Auch Bewegungs- und Handlungsabläufe, tägliche Rituale, wiederkehrende Gedankenmuster und Medienkonsum ebenso wie einschneidende Veränderungen in der Einrichtung oder der Bausubstanz selbst werden untersucht.
Auf Grundlage der gesammelten Interviews wurde in der Entwicklungsumgebung Unity eine ‚(Re)Konstruktion‘ der beschriebenen Wohnungen als dreidimensionaler begehbarer virtueller Raum erstellt. Bei Unity handelt es sich um eine ‚Engine‘, die sowohl für die Publizierung von Videospielen als auch Simulationen Verwendung findet und aufgrund ihrer Einstiegsfreundlichkeit besonders von Individuen und kleineren Teams verwendet wird.
Doppelte Narration
Ebenso wie in den Befragungen steht auch bei der Raumkonstruktion selbst nicht die getreue Nachbildung der Wohnungen im Vordergrund. Das visuelle ‚Nacherzählen‘ der Wohnungsbeschreibungen soll zum einen dazu dienen, die in den jeweiligen Beschreibungen skizzierten imaginären Räume unmittelbar erfahrbar und begehbar zu machen. Zum anderen werden die Räume aber auch durch einen doppelten Akt der Narration transformiert – erst von den befragten Menschen in ihren Beschreibungen, dann ein weiteres Mal im Laufe der digitalen (Re)Konstruktion.
Dadurch steht nicht mehr allein die Erinnerung selbst im Mittelpunkt, sondern auch der Akt des Kommunizierens von Erinnerungen und individuellen Lebenswelten. Zugleich werden die vormals privaten Räume auch einem gemeinsamen Raum zusammengeführt – in einen ambivalenten Zustand zwischen Isolation und gegenseitiger Öffnung, der nicht gänzlich aufgelöst wird, sondern in einem Spannungsverhältnis verbleibt.
Zwischen den einzelnen Räumen steht ein Zwischenraum, gestaltet nach Vorbild des ‚White Cube‘ genannten Raumkonzeptes zeitgenössischer Museen. Auch dieser Raum ist jedoch gewissermaßen eine Erzählung, da er in seiner augenscheinlich stereotypen Wiedergabe von Museumsgängen zu einer Art Limbo wird: Er selbst ist kein Ausstellungort, sondern nur ein Ort, der irgendwoanders hinführt.